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Die Lawine


In einem Auszug aus dem Buch "Die weiße Gefahr" von Martin Engler lesen wir: Als es im Februar 1999 zu schneien begann und nicht mehr aufhören wollte, fanden sich die Menschen in den Alpentälern plötzlich wie hinter einem "weißen Vorhang" gefangen: Abgeschnitten von der Außenwelt, bar aller professionellen, hoch technisierten Rettungsmöglichkeiten, waren sie auf sich allein gestellt.

Es war die totale Hilflosigkeit - im 20. Jahrhundert! Genau so war es aber immer gewesen in der Geschichte der Alpen: Die Schneestürme, die die Lawinen bringen, verhindern auch die Rettung der Opfer. Wie groß mochte erst das Leid in früheren Zeiten gewesen sein! Eine der größten Einzelkatastrophen im 20. Jahrhundert ereignete sich 1954 im Großen Walsertal in Vorarlberg. Die Gemeinde Blons war hierbei mit 56 Toten besonders schlimm betroffen.

Der Leiter der Blonser Volksschule, Eugen Dobler, war damals Augenzeuge, verlor sein Haus und die Schwester in der Lawine und kämpfte in den ersten 36 Stunden mit einer Handvoll Dorfbewohner mit bloßen Händen um das Leben der Verschütteten. Eugen Dobler hat eine besonders nahe gehende Chronik über die Katastrophe von 1954 verfasst.

Das Buch von Eugen Dobler trägt den Titel: "Leusorg" - Leu bedeutet Lawine und die Sorg die Sorge. Es geht um die Sorge, Angst wegen der Lawine. Das Buch ist im Gemeindezentrum erhältlich.

Eugen Dobler hat die große Lawinenkatastrophe 1954 im Großen Walstertal hautnah miterlebt. Er schildert packend und authentisch, wie sich die Katastrophe langsam anbahnte, der Kampf ums nackte Überleben und die schier unmenschliche Rettungsaktion, die die Bewohner zunächst ganz alleine bewerkstelligen mussten.

Aus dem Inhalt:

Bis zum Weihnachtstag 1953 erlebten wir einen einmalig schönen Spätherbst. Ein Sonnentag folgte dem anderen, auf den Wiesen fand man verschiedenste Blumen. In der letzten Adventwoche stand noch auf dem Lehrerpult ein Blumenstrauß, der in allen Farben prangte. Über die Herbstarbeit hinaus konnte schon manche Frühlingsarbeit erledigt werden. Doch manchem schien das außergewöhnliche Sonnenwetter eigenartig, und nicht selten hörte man die Meinung, ob wir die schönen Tage nicht noch büßen müssen. Und sie behielten recht!

Am Heiligen Abend fielen die ersten Flocken. Doch schien es vorerst nicht schlimm zu werden. Bis zum 9.Jänner des Jahres 1954 erreichte die Schneehöhe kaum einen halben Schuh (= etwa 15 bis 16 cm). Es war Samstag. Ein leichter Flockentanz begann. Sonntagmorgen, den 10. Jänner, lag der Schnee bereits zwei Schuh (= 60 bis 65 cm) hoch und wuchs außergewöhnlich stark. Das anfänglich leichte Schneetreiben wurde bald zum tollen Schneesturm. Trotzdem besuchten die meisten Leute noch den vormittägigen Gottesdienst. Schon auf dem Weg zur Kirche, vielmehr aber auf dem Heimweg, wurden verschiedene Kirchgänger von kleineren Scharmützeln überrascht und teils vom Weg abgedrängt. Gegen Mittag lag bei der Kirche schon 70 bis 80 cm federleichter Pulverschnee. Schneller als sonst verließen die Bauern das Gasthaus und drängten nach Hause. Alles witterte Gefahr, doch an eine solche Überraschung glaubte wohl niemand. So manche sollten nie mehr lebend zur Kirche kommen. Der Wetterbericht sprach von starken Schneefällen westlich des Brandner Tales in Richtung Großes Walsertal und eventueller Lawinengefahr. Fast wollte ich an eine für das Brandner Tal günstig frisierte Gefahrenmeldung glauben, doch die nächsten Stunden sollten dem Warndienst recht geben. Immer stärker wurde der Schneewirbel, und gegen Abend war die Metergrenze weit überschritten. Lesen Sie das spannende Buch von Eugen Dobler.

Die Schweizer Lawinenchronik schreibt zur Kathastrophe in Blons im Kapitel: Ein Blick über die Grenzen:

Im Winter 1954 nahmen die Lawinenschäden in Vorarlberg und hier vor allem im Grossen Walsertal verheerendes Ausmaß an. Eine ähnliche Katastrophe ereignete sich in Oesterreich einzig 1689, während in den Schweizer Alpen nur das grosse Lawinenjahr 1720 ähnliche Ausmasse an Opfern aufwies.

Es ist unvorstellbar, was es bedeutet, wenn in einem entlegenen Bergtal wie im Grossen Walsertal, 164 Personen mit ihren Häusern und ihrem Vieh von Lawinen verschüttet werden. Oder, was es heißt, wenn allein in der kleinen Gemeinde Blons (365 Einwohner) 118 Personen verschüttet werden, davon 16 Personen zwei Mal, und wenn davon nicht weniger als 55 Personen tot, 22 Personen verletzt geborgen wurden und 2 Personen nie mehr gefunden wurden. Blons wurde bereits früher von verheerenden Lawinen heimgesucht, in den Jahren: 1497, 1689, 1717, 1806, 1808 und 1853.

Auch in Blons kam es zu einer vollständiger verkehrsmässigen Abschliessung und zum Ausfall der Telefonverbindungen.

Die Lehren für Heute

Viele historische Lawinen haben grosse Schäden in tiefen Lagen verursacht. Diese Gebiete werden heute in der Lawinenprognose wenig beachtet. Es zeigt sich aber, dass in extremen Situationen mit tiefen Temperaturen und tief liegender Schneefallgrenze auch Gebiete unter 1000 m von Großlawinen betroffen sein können. Und es hat sich auch gezeigt, dass auch in einem weniger steilen Gelände (mit eher hügeligem Charakter) bei extremen Situationen Lawinen abgehen können - und eben nur dann, wenn die Verhältnisse extrem sind. Das bedeutet, dass diese Situationen sehr selten sind, und statistisch gerechnet nur alle 50 bis 100 Jahre vorkommen. Aber eine statistische Wiederkehrdauer von 50 bis 100 Jahre heißt nicht, dass die Zeit zwischen zwei Ereignissen immer zwischen 50 und 100 Jahren liegen muss. Sie kann länger, aber auch kürzer sein, was die beiden Lawinenwinter 1951 und 1954 eindrücklich gezeigt haben.

Anlässlich des 50. Jahrestages wurde in Blons an das Ereignis erinnert und eine Dauerausstellung eröffnet. Das Große Walsertal hat in den vergangenen 50 Jahren große Investitionen in die Lawinenverbauung getätigt. Ein entscheidende Bedeutung kommt dem Schutzwald zu. Nicht gepflegte, also nicht verjüngte Wälder bedeuten ein höheres Risiko. Zum Schutz muss daher der Schutzwald bewirtschaftet werden.

So sind Konzepte, die eine wirtschaftliche Nutzung der Forste ermöglichen sehr willkommen. Das LEADER+ Projekt "Bergholz" schlägt in diese Kerbe und ermöglicht mit der Verwendung des Gebirgsholzes eine Verjüngung des Waldes.


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