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Gespräch R. Wehinger


Herr Wehinger, die Vorgeschichte des neuen Gemeindezentrums in Ludesch ist eigentlich ein ziemlich lange. Im Jahre 1995 wurde eine Studie von der Universität Innsbruck verfasst, wie hat sich daraus dieses konkrete Projekt ergeben?

In dieser Studie kam heraus, dass es vor allem an Kommunikationseinrichtungen fehlt, dass kein richtiger Dorfplatz vorhanden ist, nachdem Kirche, Blumenegg-Halle, altes Gemeindeamt und Sozialzentrum direkt an der Straße liegen und bisher ein entsprechende Dorfleben kaum möglich war. Mit der Entscheidung für ein neues Gemeindezentrum bildete sich 1997 eine entsprechende Arbeitsgruppe, die im Rahmen einer Bevölkerungsbefragung mit den Erhebungen für ein Raum- und Funktionsprogramm begonnen hat. Im Jahre 2000 wurde unser Büro, das Architekturbüro Hermann Kaufmann, aufgefordert an dieser Entwicklungsstudie mitzuarbeiten, und im Rahmen dieser Studie wurden die damals geäußerten Bedürfnisse in einem erstem Rohkonzept verarbeitet.

Mit welchen Wünschen sind die Interessensgruppen damals an das Projekt heran gegangen? Es ist doch anzunehmen, dass es eine Fülle von Vorstellungen gegeben hat, was alles in diesem Konzept untergebracht werden sollte.

Im alten Gemeindeamt waren die Arbeitsverhältnisse für die Bediensteten sehr beengt, die Verei-ne waren auf verschiedene Räumlichkeiten, wie Feuerwehr, Blumenegg-Halle usw., aufgeteilt und hatten nirgends ein richtiges Zuhause. So war es ein klarer Wunsch, dass neben den Räumlich-keiten für die Verwaltung sämtliche Vereinsräumlichkeiten hier untergebracht werden sollten und auch das Cafe, das es im alten Gemeindeamt gab, hier wieder eröffnet werden müsse. Auch die öffentliche Bücherei wird von der Schule ins Gemeindezentrum umgesiedelt werden und das künftige Flächenangebot soll auch von verschiedenen Dienstleistungsunternehmen, konkret im Gespräch sind zum Beispiel Räumlichkeiten für Physiotherapie, genutzt werden.

Welche Funktion hat das neue Gemeindezentrum für Sie als Projektleiter im Kontext des traditio-nellen Ortsgefüges? Mit dem entstehenden Platz soll ja versucht werden, ein neues öffentliches Zentrum zu etablieren.

Unser Ziel war, die Vielfalt an erforderlichen Funktionen in einer dem Dorfcharakter entsprechen-den Maßstäblichkeit auszuführen, weshalb das Konzept eine Dreigliedrigkeit des Bauvolumens vorsieht mit dem überdeckten Dorfplatz als kommunikativer Mitte und den infrastrukturellen Ein-richtungen rundherum, wodurch das ganze Dorf einen höheren Stellenwert erhalten soll.

War die gewählte Holzbauweise für ein öffentliches Gebäude ein Thema? Gab es Pläne, auch andere Materialien oder eine andere Bauweise für diese Aufgabe zu wählen?

Die Gemeinde ging ursprünglich von einer Mischbauweise aus, es war jedoch von Anfang an ein deklarierter Wunsch, Holz als Baustoff einzusetzen. Allerdings gab es zunächst hinsichtlich der verfügbaren technischen Möglichkeiten in Bezug auf die Nutzungsanforderungen Bedenken. Un-ser besonderes Anliegen war es, das gesamte Gebäude als reinen Holzbau auszuführen, nach-dem wir große Erfahrung im Holzbau haben und ebenso großen Wert auf heimische Wertschöp-fung legen. In diversen Gesprächen mit den jeweiligen Fachplanern wurde uns bestätigt, dass es möglich sein müsse, einen reinen Holzbau zu errichten. Für uns als Planer war es wichtig, das Holz ökologisch zu verwenden, das heißt, gänzlich unbehandelt zu lassen. Das führte zu Fassa-den in sägerauer Ausführung mit einem konstruktiven Holzschutz, der aus metertief ausladenden Vordächern besteht, und auch die Lamellenstruktur zum überdeckten Platz hin weist nur unbe-handelte Oberflächen auf.

Energetisch gesehen handelt es sich beim neuen Gemeindezentrum um ein Passivhaus. War das von vorneherein klar, oder haben diese Anforderungen noch besonderer Tüfteleien bedurft?

Es war klar, dass es möglich sein müsste, ein Passivhaus in dieser Größenordnung zu errichten, es bedurfte jedoch besonderer Anstrengungen auf der technischen Seite, um die Lufttemperatur gegenüber der Außentemperatur um die erforderlichen 6 Grad abzusenken.

Gestalterisch fällt auf, dass an markanten Stellen das Holz Weißtanne verwendet wird. Welche Ziele und praktischen Erfahrungen stecken da dahinter?

Nachdem die Gemeinde Ludesch einen sehr hohen Baumbestand in Weißtanne hat, war es un-ser Anliegen, sowohl im Fassaden- als auch im Innenbereich Holz aus heimischer Wertschöpfung zu verwenden. Das Belassen der Wände im 1. Stock in sägerauer Ausführung ist sicher ein muti-ger, weil ungewohnter Schritt. Ich glaube jedoch nicht, dass es ein wirkliches Problem ist, wohl aber seitens der Bevölkerung einen Lernschritt voraussetzt im Umgang mit unbehandeltem Holz. Unsere Intention war es unter anderem, im Innenbereich nicht Materialien zu vermischen, und was das Nutzerverhalten betrifft werden wohl auch manche Sehgewohnheiten und Perfektionsan-sprüche im Umgang mit Naturbaustoffen mit der Zeit verändert werden.

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